Reset the preset

Ouvertüre

Ich fange mal ganz vorne an. Vor ein wenig mehr als zwei Jahren konnten wir endlich unseren Sohn Carl auf dieser Welt begrüßen. Lange genug hat es gedauert und der Weg dahin war auch nicht ohne Unebenheiten.

Schnell haben wir bemerkt, das die Zeit der gegenseitigen Entdeckung einfach viel zu schnell vergeht. Bereits im ersten gemeinsamen Urlaub haben wir den Entschluss gefasst, diese unwiederbringliche Zeit, so intensiv wie möglich auszukosten. Aber wie? Meine Selbstständigkeit ermöglicht mir zwar eine gewisse Flexibilität in den Arbeitszeiten, aber die Verantwortung für Kollegen und Kunden schwindet dadurch nicht. Schnell war klar, dass hier nur eine radikale Lösung zur zeitlichen und emotionalen Befreiung führt. Im April 2017 habe ich meine Kollegen von meiner baldigen Abwesenheit informiert – das Modewort “Sabbatical” kannte ich bis dato nicht, aber ich wusste das Auszeit irgendwie gut klingt.

Die mobile Wohnung

Nun hatten wir zumindest den beruflichen Teil geklärt. Aber was macht man eigentlich zu Dritt in einer Auszeit? Neuseeland, Canada, Buxtehude? Irgendwie waren wir immer noch von unserem Norwegen-Trip angetan und das Reisen mit kleinem Gepäck entspricht unserer Vorstellung von Gemeinsamkeit absolut. Nur sind wir ja nun zu Dritt und der Bus war für zwei Personen durchaus tauglich, aber zu Dritt und für eine längere Zeit nicht praktikabel. Es müsste also eine Art Mini-Wohnung her – und siehe da, Wohnmobile und Wohnwagen erfüllen genau diesen Zweck.

Prima, dachten wir uns, was kostet die Welt! Nach unendlichen Web-Recherchen, Besuchen bei Caravanhändlern, Befragungen im Freundeskreis und letztendlich mit Blick in das Portemonnaie entschieden wir uns im Sommer 2017 für die Wohnwagen-Lösung. Leider haben diese Idee anscheinend sehr viele Menschen und die Verunsicherung der ehemaligen Pauschaltouristen in Risikoländer zu fliegen ist anscheinend hoch. Da wir keine Lust auf Experimente hatten und ich weder handwerklich begabt bin, noch interessiert daran Restaurierungen an gebrauchten Wohnwagen vorzunehmen, blieben zwei neue Modelle in der engeren Wahl. Der Knaus Sport 420QD und der Dethleffs c’joy 410 QL. Beides in der sog. Einsteigerklasse, dafür aber bezahlbar und auch mittlerweile ohne geschnitzte Holzdekortüren und Jagdornamente auf den Bezügen zu haben. Letztendlich gefiel uns der Knaus Sport besser und der Händler war in Jena gleich um die Ecke.

Die Feuertaufe

Da wir, völlig unerfahren, aber vor der großen Reise zumindest ein wenig Caravanluft schnuppern wollten, musste Ende der Camping-Saison im Herbst unbedingt noch ein Erprobungsurlaub stattfinden. Ende September kann es ja durchaus schön sein an der Ostsee, dachte wir uns. Ein familiärer Anlass war die ideale Voraussetzung, um den T5 und den Knausi mit Mensch und Gepäck vollzuladen und gen Norden zu “düsen”.

Eine Zwischenetappe in KaWe sollte allen Beteiligten eine entspannte Anfahrt sichern, was auch prima funktionierte, lediglich die schmale Einfahrt der Pension verursachte etwas Temperaturanstieg im Cockpit, denn Rückwärtsfahren mit WoWa müssen meine Synapsen erst erlernen. Der Bussi zog den Knausi am nächsten Tag gemütlich, aber stetig die A11 und A20 hinauf und ich klemmte mich truckerlike hinter die 40-Tonner – fehlte nur das “TOBSI” Nummernschild auf dem Armaturenbrett.

Mit Gepäck für 5 Personen, diese inklusive, 2 Rädern auf der Deichsel und allem nötigen (und unnötigen) Gepäck für 14 Tage Urlaub im Herbst hieß das Ziel Karlshagen auf Usedom. Zum Campingplatz braucht man eigentlich nur eines zu sagen: top! Nach 14 Tagen durchwachsenem Wetter, viel Gewöhnung an die Abläufe im und außerhalb des Knausi und einer Sehhilfe weniger (Spende an Poseidon während meines todesmutigen Badeversuchs bei 14 Grad Außentemperatur) ging es sehr zufrieden und voller Euphorie nach Hause.

Der Knausi wurde winterfest gemacht und darf dank den allerbesten Freunden idyllische Bauernhofluft über den Winter schnuppern.

Die heiße Phase

In den folgenden Monaten versuchten wir mit allen möglichen digitalen (ich) und analogen (Anja) To-Do-Listen alle Vorbereitungen zu unserem Abschied von Wohnung, Job, Möbeln, GEZ (yes!), Strom, Wasser, Telefon, Versicherungen, Ärzten, Kleidungsstücken, Gehirnzellen und sonstigen lästigen Dingen zu bewältigen, nicht immer mit sofortigem Erfolg. Leider hieß dies auch Abschied von Freunden, Kollegen, Nachbarn und natürlich auch Familie. Da müssen wir wohl durch! Auch der Bussi wurde durch eine neue Zugmaschine ersetzt, ein kleiner weißer Schneemensch mit mehr Leistung, Allrad und hoffentlich weniger Reparaturen wird uns und den Knausi zukünftig bewegen dürfen.

Aber wie lange soll die Reise eigentlich dauern, wohin soll es gehen, wieviel darf es kosten und was erhofft man sich überhaupt davon? Kann man mit einem 2-Jährigen längere Zeit durch Europa touren ohne die Bedürfnisse des Kindes zu vernachlässigen? Und vor allem – wieviele Räder kann ich mitnehmen, was brauche ich an Werkzeug, wo sind die besten Trails und was macht der Rest der Familie in dieser Zeit? Die Antwort: Wir müssen es herausfinden, denn ohne die Erfahrung gemacht zu haben ist alles Spekulation.

Viele anfängliche Ideen, gerade was den Verbleib unserer restlichen Güter angeht, wurden schnell verworfen, fügten sich von selbst oder wurden durch andere Faktoren selbst bestimmt. Dabei habe ich die drei Phasen der Entrümpelung kennengelernt – erste Phase: “Das kann unmöglich weg!”, zweite Phase: “Was mach ich bloß damit?” und schließlich die dritte Phase: “Ist da noch Platz im Beutel für die Kleiderspende?”.

Status Quo

Ich sitze hier, anders als ursprünglich geplant, in einer neuen, kleinen, feinen Wohnung, umgeben von Kartons, einem Teil der restlichen Möbel und warte mit meinen Beiden auf den Tag der Abreise in circa zwei Wochen. Die letzten Wochen sind verflogen, es gibt immer noch die kleinen Aufgabenlisten, aber die großen Fragezeichen haben sich zu einem Punkt transformiert. Eine direkte Route gibt es immer noch nicht, lediglich kleine Wunschetappen wurden definiert, meistens durch Events des Zweiradsports oder auch durch Urlaubsplanungen von Freunden, welche unseren Weg gerne kreuzen sollen.

Der Blog soll, wie bisher auch, wenig bis keinen Anspruch auf Vollständigkeit, Aktualität oder kommerziellen Hintergrund erheben, sondern viel mehr Freunden und Familie als Online-Tagebuch dienen. Wie oft, wie umfangreich oder wie detailliert dieser fortgeführt wird weiß ich noch nicht. Der fotografische Aspekt wird zudem auch sehr stark eingeschränkt sein, da ich mich gegen die Nikon D700 samt Linsensuppe entschieden habe und stattdessen versuche mit einer Sony RX100 MK3 Ricoh GR II möglichst flexibel und kompakt auf der Reise zu sein.

Aktuell ist das Wetter frühlingstypisch unbestimmt, mit den Allwetterreifen auf dem Yeti haben wir hoffentlich den Kompromiss für eine rutschfreie Fahrt in den Süden gefunden. Der Knausi steht noch im Winterpelz zur Abholung bereit und wir versuchen auch die letzten Punkte auf den Listen zu tilgen. Da fällt mir ein …

4 Kommentare zu “Reset the preset

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